Inspiration

von Jurek Kraus

Weihnachten neu verstehen – Erinnerung an unser wahres Menschsein

25. Dezember 2025

Weihnachten ist für viele Menschen zu einer Zeit geworden, in der Lichterketten heller leuchten als das innere Licht. Der Christbaum steht, die Märkte sind voll, Geschenke wechseln den Besitzer – und doch bleibt oft ein leises Gefühl von Leere. Etwas fehlt. Nicht äußerlich, sondern innerlich.

Vielleicht liegt das daran, dass Weihnachten ursprünglich nie ein Fest des Konsums war, sondern ein Fest der Erinnerung:
die Erinnerung daran, dass im Menschen etwas Göttliches geboren werden kann.

Viele junge Menschen – und nicht nur sie – haben heute den Kontakt zu diesem inneren Erleben verloren. Sie identifizieren sich mit ihrem Körper, mit Gedanken, mit Rollen, mit Leistung oder Versagen. Spiritualität erscheint entweder als etwas Dogmatisches oder als fernes Ideal. Doch die großen Weisheitstraditionen – ob christlich oder yogisch – erzählen eine andere Geschichte:

Der Mensch ist nicht nur Körper oder Geist.
Er ist ein spirituelles Wesen.
Der Körper ist ein Tempel.
Und im Inneren wohnt eine Seele.

Weihnachten kann – jenseits von Religion – wieder zu dem werden, was es im Kern ist:
ein Moment der inneren Neugeburt.

Die Geburt Christi – außen und innen

Im Christentum steht Weihnachten für die Geburt Jesu. Doch jenseits der historischen Erzählung weist dieses Bild auf etwas Zeitloses hin:
Gott wird Mensch – nicht nur damals, sondern immer wieder.

Mystiker aller Traditionen haben verstanden, dass die Geburt Christi nicht nur ein Ereignis in Bethlehem ist, sondern ein innerer Prozess. Christus steht für ein Bewusstsein der Liebe, Klarheit und Einheit. Weihnachten erinnert daran, dass dieses Bewusstsein im Menschen selbst geboren werden will.

Der Körper wird dabei nicht abgewertet – im Gegenteil:
Er wird zum Tempel, zum Ort der Offenbarung des Göttlichen.

Jesus im Christentum und bei Paramahansa Yogananda

Jesus im klassischen Christentum

Im traditionellen Christentum ist Jesus Christus der einzigartige Sohn Gottes. Seine Geburt wird als einmaliges heilsgeschichtliches Ereignis verstanden: die Menschwerdung Gottes. Durch Jesus tritt das Göttliche in die Welt ein, sichtbar, greifbar, menschlich.

Diese Geburt markiert den Beginn eines Erlösungsweges, der über Liebe, Hingabe, Kreuzigung und Auferstehung führt. Jesus ist hier nicht nur Lehrer, sondern Erlöser. Seine Einzigartigkeit steht im Zentrum.

Jesus bei Paramahansa Yogananda

Paramahansa Yogananda, der große indische Yogi und Brückenbauer zwischen Ost und West, verehrt Jesus zutiefst – interpretiert ihn jedoch anders. In der Autobiographie eines Yogi erscheint Jesus als vollkommen verwirklichter Meister, der das Christusbewusstsein vollständig verkörpert.

Dieses Christusbewusstsein ist nach Yogananda kein exklusives Privileg, sondern ein universeller Zustand des Erwachens – ein göttliches Bewusstsein, das in jedem Menschen schlummert und durch innere Praxis erfahrbar werden kann.

Die Geburt Jesu ist hier weniger ein einmaliges metaphysisches Wunder, sondern Ausdruck eines hohen spirituellen Reifegrades. Entscheidend ist nicht die äußere Geschichte, sondern die innere Realität, die Jesus verkörpert.

Mahavatar Babaji – jenseits von Geburt und Tod

Um diese Perspektive zu verstehen, führt Yogananda eine weitere Gestalt ein: Mahavatar Babaji.

Babaji ist eine der geheimnisvollsten Figuren der spirituellen Geschichte Indiens. Yogananda beschreibt ihn als unsterblichen Yogi, der nicht an Geburt, Alter oder Tod gebunden ist. Babaji erscheint und verschwindet, nimmt Form an und löst sie wieder auf – nicht aus Magie, sondern aus vollkommener Bewusstseinsbeherrschung.

Während Jesus im Christentum durch eine heilige Geburt in die Welt tritt, scheint Babaji jenseits des Geborenwerdens zu existieren. Er verkörpert das, was geschieht, wenn Identifikation mit Körper, Gedanken und Persönlichkeit vollständig überwunden ist.

Warum der Vergleich von Jesus und Babaji hilfreich ist

Der Vergleich zwischen Jesus und Babaji ist kein Wettbewerb der Religionen. Er ist eine Einladung zum Verstehen:

  • Jesus zeigt, wie das Göttliche im Menschsein geboren wird
  • Babaji zeigt, was jenseits aller Formen existiert
  • Beide weisen darauf hin, dass wir nicht unser Körper, nicht unsere Gedanken,
    nicht unsere Geschichte sind
  • Yogananda macht deutlich: Jesus und Babaji wirken aus demselben göttlichen Ursprung – nur auf unterschiedliche Weise. Jesus berührt das Herz der Menschheit über Liebe, Opfer und Mitgefühl. Babaji erinnert an die zeitlose Wahrheit: Wir sind Bewusstsein. Wir sind göttlichen Ursprungs.

„Ihr seid Götter“ – eine vergessene Wahrheit

In den Evangelien sagt Jesus selbst:

  • „Jesus antwortete ihnen: Steht nicht in eurem Gesetz geschrieben: Ich habe gesagt: Ihr seid Götter?“ Johannes 10,3
  • „Das Reich Gottes ist inwendig in euch.“ Lukas 17,21
  • „Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist.“ Matthäus 5,4
  • „An jenem Tag werdet ihr erkennen: Ich bin in meinem Vater, und ihr in mir, und ich in euch.“ Johannes 14,20
  • „Ich habe gesagt: Ihr seid Götter, und ihr alle seid Kinder des Höchsten.“ Psalm 82,6

Diese Aussagen wurden oft übersehen oder entschärft. Doch genau hier treffen sich christliche Mystik und yogische Philosophie.

Gemeint ist nicht das Ego, nicht Macht oder Überlegenheit.
Gemeint ist das wahre Selbst, jenseits von Angst, Mangel und Identifikation.

Weihnachten lädt uns ein, uns daran zu erinnern:

  • Der Körper ist ein Tempel
  • Das Bewusstsein ist der Altar
  • Die Seele ist der Ort, an dem Gott erfahren wird

Weihnachten als innere Neugeburt

Wenn Weihnachten wieder zu dem wird, was es im Kern ist, dann verändert sich sein Sinn:

Nicht mehr Was bekomme ich?
sondern Was darf in mir neu geboren werden?

Vielleicht:

  • mehr Stille
  • mehr Wahrhaftigkeit
  • mehr Verbindung mit dem eigenen Inneren
  • mehr Erinnerung daran, wer wir wirklich sind

In diesem Sinne ist Weihnachten kein Datum, kein Ritual und kein Markt.
Es ist ein innerer Wendepunkt.

Und vielleicht beginnt genau hier – still, jenseits von Lärm – die Geburt dessen, was wir nie verloren haben, sondern nur vergessen.

Über uns

Yoga bedeutet für uns weit mehr, als Körperübungen um Kraft und Flexibilität zu trainieren.

Durch die Verbindung von Körper, Atem und Geist wird der Weg zum Wiederfinden des Selbst als Ursprung gelegt. Als Yogalehrer bemühen wir uns anderen Menschen zu helfen, in ihre eigene Kraft zu kommen und dort zu bleiben.

Zum Yoga gehört auch Naturverbundenheit, ein ethisches Leben, Selbstbeobachtung und Reflexion in der persönlichen Weiterentwicklung.